Die Leber und ... die Viren

Dr. Jutta Ullrich
niedergelassene Internistin & Gastroenterologin, Krefeld

Infektionen des menschlichen Organismus mit Viren werden seit vielen Jahren als etwas besonders Bedrohliches wahrgenommen, insbesondere wohl seit der Entdeckung des HI-Virus Anfang der achtziger Jahre.

Welche Eigenschaften haben Viren, die sie zu so einem gefürchteten Krankheitserreger machen?

Viren sind sehr kleine Lebewesen, die aus einem Eiweißkern und einer Eiweißhülle bestehen. Der Kern trägt das Erbmaterial, das zur Vermehrung des Virus notwendig ist. Viren sind alleine nicht lebensfähig, sie benötigen Wirtszellen (z.B. Zellen des Bluts oder der Leber), um sich vermehren, und damit Krankheitserscheinungen hervorrufen zu können.
Ihre Fähigkeit, sich unter günstigen Bedingungen rasant zu riesigen Populationen zu vermehren, ist enorm hoch. Der menschliche Organismus kann aber einem solchen Angriff krankmachender Lebewesen zahlreiche Abwehrstrategien entgegensetzen.

Viren werden in der Regel von Mensch zu Mensch übertragen, dabei stellt bereits die intakte Haut oder Schleimhaut einen Schutz vor Infektion dar. Kommt es durch Verletzung der Haut (z.B. durch Nadelstich oder Eingriffe wie Tätowierung oder Piercing) zum Eindringen des Virus in die Blutbahn, so hängt der weitere Verlauf der Infektion von zwei Faktoren ab: der Menge der eingedrungenen Viren und der Reaktion des Immunsystems des infizierten Menschen.
Viren haben unterschiedliche Zielorgane, die sie bevorzugt befallen und hier entweder durch ihre eigenen Fähigkeiten, Zellen anzugreifen oder durch die Reaktion des ortsständigen Immunsystems Entzündungen verursachen.

Hier interessieren uns besonders die so genannten "hepatotropen" Viren, d.h. Lebererkrankungen hervorrufenden Viren, das sind im engeren Sinne die Hepatitisviren A, B, C, D und E, die in den verschiedenen weiteren Beiträgen dieses Heftes gesondert behandelt und erläutert werden.
Allen Hepatitisviren gemeinsam ist die Entzündung der Leber als Folge der akuten Infektion, die häufig mit Gelbfärbung der Haut, Oberbauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit und allgemeinem Krankheitsgefühl einhergeht.
In der Blutuntersuchung sieht man zu diesem Zeitpunkt bereits in der Regel deutlich erhöhte "Leberwerte" (GOT, GPT, AP, Bilirubin) und kann entweder typische Antikörper oder Bestandteile der Viren direkt nachweisen.
Die Infektion kann sehr milde verlaufen mit gering ausgeprägter Entzündung und Beschwerden, und sie kann - selten - so schwer verlaufen, dass sie akut lebensbedrohlich ist und aufgrund des Organversagens eine Lebertransplantation erforderlich macht. Diese unterschiedlichen Verläufe hängen wiederum von Art und Menge des eingedrungenen Virus ab und vom Zustand des Immunsystems des betroffenen Menschen.

Daher wird leicht verständlich, dass ein Mensch, dessen Immunsystem durch eine Chemotherapie oder durch AIDS geschwächt ist, in viel höherem Maß durch eine Virusinfektion gefährdet ist als ein Mensch mit einem gesunden Immunsystem.
Umgekehrt kann jeder Mensch sein Immunsystem stärken durch Verzicht auf Drogen (auch Alkohol und Nikotin) und gesunde, d.h. vitaminreiche und fettarme Ernährung und körperliche Aktivität.

Der Übertragungsweg der Hepatitisviren ist unterschiedlich:
Hepatitis A und E-Viren werden in der frühen Krankheitsphase in großer Menge mit dem Stuhl ausgeschieden und können so bei schlechten hygienischen Verhältnissen mit dem Trinkwasser oder durch verseuchte Lebensmittel (z.B. Muscheln) über den Magen-Darm-Trakt in den Organismus gelangen und zu einer Infektion führen.
Hepatitis B wird durch infiziertes Blut übertragen, aber auch häufig über den Geschlechtsverkehr, während die Hepatitis C fast nur über infiziertes Blut übertragen wird und extrem selten über den Geschlechtsverkehr.

Die weiteren, recht unterschiedlichen charakteristischen Eigenschaften der "Leberviren" und die unterschiedlichen Verläufe der durch sie verursachten Erkrankungen werden in den Beiträgen dieser Broschüre genauer dargestellt werden.

Erwähnt werden soll aber noch, dass auch andere Viren, die typische Krankheitserscheinungen an anderen Organen verursachen, die Leber mit betreffen können.
Ein typisches Beispiel hierfür ist das Epstein-Barr-Virus, das das so genannte Pfeiffer´sche Drüsenfieber hervorruft. Charakteristisch für diese Virusinfektion, die durch Speichel übertragen wird ("kissing disease") sind Halsschmerzen und geschwollene Lymphknoten im Halsbereich, in der Regel verbunden mit hohem Fieber und schwerem Krankheitsgefühl.
Auch diese Virusinfektion kann zu einer Entzündung der Leber mit hohen Leberwerten führen, nur selten aber zur "Gelbsucht". Der Verlauf dieser Erkrankung ist in der Regel gutartig, d.h. sie heilt spontan aus.
Auch Herpes- oder Zytomegalieviren können zu einer Leberentzündung führen.
Aus den genannten, krankmachenden Eigenschaften der Viren lassen sich Ansätze zum Schutz vor einer Infektion und zur Behandlung der bereits eingetretenen Infektion ableiten:

  •  Schutz vor Infektion durch Vermeidung der Übertragung:
    •  Kein Genuss von rohen Lebensmitteln oder verunreinigtem Trinkwasser in gefährdeten Gebieten.
    •  Kein Kontakt mit infiziertem Blut (sorgfältige Auswahl der Blutspender, gentechnologische Herstellung von Gerinnungsfaktoren etc.).
    •  Kein ungeschützter Geschlechtsverkehr.
  •  Schutz vor Infektion durch Impfung:
    •  Aktive Impfung, d.h. Induktion der Bildung spezifischer Antikörper des eigenen Immunsystems durch Impfung mit Virusbestandteilen ist für die Hepatitis A und B möglich.
  •  Behandlung der Infektion:
    •  Behandlung einer eingetretenen und chronisch verlaufenden Infektion ist durch Substanzen möglich, die die Virusvermehrung hemmen und/ oder das Immunsystem im Kampf gegen die Viren spezifisch unterstützen (Interferone).

Dr. Jutta Ullrich
niedergel. Internistin & Gastroenterologin, Krefeld

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