Professor Dr. Claus Niederau
St. Josefshospital, Oberhausen
Definition
Die vererbte Hämochromatose - auch Eisenspeicherkrankheit
genannt - ist eine der häufigsten erblichen Stoffwechselerkrankungen.
Der Name wurde vor mehr als 100 Jahren zum einen von der Vorstellung
geprägt, dass Blutveränderungen an der Krankheitsentstehung
beteiligt sind (Hämo-), und von den sichtbaren Hautverfärbungen
(=chromatose).
Erst später wurde die Krankheit als Eisenspeicherkrankheit
identifiziert, der eher irrige Name Hämochromatose blieb
bis heute bestehen. Ein angeborener Gendefekt führt zur
erhöhten Eisenaufnahme aus der Nahrung. Im Verlauf von
Jahrzehnten kommt es zur Eisenablagerung in verschiedenen Organen,
die dadurch in ihrer Funktion und ihrer Struktur geschädigt
werden. Zu diesen Organen gehören Leber, Herz, Bauchspeicheldrüse,
Hirnanhangsdrüse und Gelenke.
Von der vererbten Hämochromatose kann man eine sekundäre
Hämochromatose unterscheiden, die durch Blutübertragungen,
massive Einnahme von Eisentabletten oder als Folge von hämolytischen
Anämien (Blutarmut durch Zerfall der roten Blutkörperchen)
entstehen kann; im Mittelmeerraum ist die Sichelzellanämie
eine häufige Ursache für die sekundäre Hämochromatose.
In Deutschland sind sekundäre Hämochromatose-Formen
so selten, dass hierauf nicht näher eingegangen wird.
Einteilung
der verschiedenen Formen der Hämochromatose
Die genetische (vererbte) Hämochromatose wird heute
in vier verschiedene Typen unterteilt, wobei von der Häufigkeit
her in der deutschen Bevölkerung nur der Typ 1 eine Rolle
spielt. Der Typ 1 stellt die klassische Variante der autosomal-rezessiv
vererbten (Erklärung im nächsten Absatz) Eisenspeichererkrankung
dar, wobei der Gendefekt vor allem in Populationen keltischer
Abstammung auftritt.
Ein Defekt im HFE (H=Hämochromatose; FE=Eisen) -Gen führt
beim Typ 1 zu einer erhöhten Eisenaufnahme im Darm.
Die heute Typ 2 genannte Form der Hämochromatose (betroffen
ist das Hepcidin) ist die jugendliche Form der Eisenspeicherkrankheit,
die vor dem 30. Lebensjahr manifest wird, beide Geschlechter
ähnlich häufig betrifft und oft mit schwerer Herzschwäche
(Cardiomyopathie) und hormonellen Veränderungen (Hypogonadismus)
einhergeht.
Die Typ 3 genannte Form der Hämochromatose ist bisher nur
in einigen italienischen Familien beschrieben worden. Hier betrifft
der Gendefekt den Transferrin-Rezeptor 2 (Transferrin ist das
Eiweiß, das das Eisen im Blut transportiert). Die Folgen
des Typ 3 ähneln den Veränderungen beim Typ 1. Die
Hämochromatose Typ 4 wird autosomal-dominant vererbt; der
Gendefekt betrifft das Eisenexport-Protein Ferroportin 1.
Der Typ 4 unterscheidet sich in den Laborwerten und in anderen
Charakteristika von den Typen 1 und 3, wobei auf diese Unterschiede
nicht näher eingegangen wird. Da die Hämochromatose-Typen
2-4 in der deutschen Bevölkerung selten sind, bezieht sich
der weitere Teil dieses Artikels auf die Hämochromatose
Typ 1.
Vererbung
Die mit Abstand häufigste Typ1-Form der Hämochromatose
wird autosomal-rezessiv vererbt: "Autosomal-rezessiv"
heißt, dass die Krankheit unabhängig vom Geschlecht
vererbt wird (autosomal und nicht an das X-Chromosom gebunden;
Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen) und
zum anderen, dass man nur erkrankt, wenn man von beiden Elternteilen
eine Mutation erbt (dann ist man "homozygot").
Im Gegensatz zur rezessiven Vererbung wird man beim dominanten
Erbgang schon dann krank, wenn man nur eine Mutation (also von
nur einem Elternteil) vererbt bekommt, obwohl man vom anderen
Elternteil eine gesundes Gen bekommen hat.
Jedes Kind bekommt vom Vater einen Chromosomensatz und von der
Mutter den zweiten; jeder Mensch hat zwei Chromosomensätze,
von denen er nur einen an sein Kind weitervererbt. Bei der rezessiv-vererbten
Krankheit wird eine erkrankte Person, die ja auf beiden Chromosomen
eine Mutation hat, auf jeden Fall eine Mutation an das Kind
weitergeben.
In Bevölkerungsgruppen mit geringer Häufigkeit der
Erkrankung wird der andere Elternteil wahrscheinlich keine Mutation
haben (also beide Chromosomensätze werden ohne Genveränderung
sein), so dass die Kinder der erkrankten Person nur eine Mutation
auf einem Chromosomensatz haben und deshalb nicht krank werden
(heterozygot). Würden hingegen zwei von der Hämochromatose
betroffene Ehepartner Kinder hervorbringen, so würden alle
Kinder auf beiden Chromosomensätzen Mutationen haben und
so ein hohes Risiko für Krankheitserscheinungen.
In Bevölkerungsgruppen
mit hoher Hämochromatose-Genhäufigkeit tragen relativ
viele Personen die Mutation nur auf einem Chromosomensatz und
sind selbst gesund (Heterozygote).
Heiraten zwei gesunde Heterozygote, werden 50 % der Kinder einen
genetisch veränderten Chromosomensatz haben, 25 % keinen
genetisch veränderten Chromosomensatz und 25 % zwei genetisch
veränderte Chromosomensätze; ein Erkrankungsrisiko
haben also die 25 % der Kinder mit Genveränderungen auf
beiden Chromosomensätzen. Heiratet ein Erkrankter (homozygot)
einen heterozygoten Träger, so werden 50 % der Kinder Mutationen
auf beiden Chromosomensätzen haben, also homozygot sein.
Häufigkeit
der Eisenspeicherkrankheit
Die Hämochromatose (Typ 1) ist die häufigste
angeborene Stoffwechselerkrankung in Bevölkerungen keltischer
Herkunft.
Die Häufigkeit der "homozygoten Merkmalsträger"
(Personen mit vererbter Mutation auf beiden Chromosomensätzen,
also von Vater und Mutter; weitere Erklärung vorheriges
Kapitel) liegt in Deutschland bei mindestens 1:200 und die der
heterozygoten bei etwa 1:10 Personen (also jede zehnte Person
hat einen solchen Gendefekt).
Die "phänotypische" Ausprägung (also die
Folgen, die die Person im Leben bemerkt) variiert und hängt
von Faktoren wie Diätgewohnheiten und Blutverlusten ab.
So entwickeln Frauen aufgrund der Eisenverluste während
der Regelblutung seltener klinische Folgen der Hämochromatose
als Männer. Wahrscheinlich entwickeln auch homozygote Männer
nicht immer Komplikationen, da die Häufigkeit einer manifesten
Hämochromatose (also mit Befunden oder Beschwerden) nur
bei etwa 1:1000 liegt.
Bei Personen keltischer
Abstammung liegt bei etwa 90 % der Patienten mit Hämochromatose
eine homozygote Punktmutation (an der Stelle 282) im HFE-Gen
vor (Punktmutation bedeutet, dass im Gen nur an einer einzigen
Stelle der DNA ein Fehler passiert ist, wobei aufgrund des Fehlers
an der Stelle 282 in der DNA eine Aminosäure ausgetauscht
wird (abgekürzt wird diese Mutation C282Y genannt).
Eine zweite Punktmutation (H63D, Aminosäureaustausch an
der Stelle 63) kann man bei 5-10 % der Hämochromatose-Patienten
finden. Diese Mutation kommt auch mit einem heterozygoten Status
für die C282Y-Mutation vor (so genannte "Compound-Heterozygote",
also z.B. vom Vater eine C282Y geerbt und von der Mutter eine
H63D Mutation). In einer nicht aus Europa stammenden Bevölkerung
findet man die C282Y-Mutation viel seltener.
Entstehung
und Folgen der Eisenüberladung
Der homozygote Hämochromatosepatient (Typ 1) nimmt
täglich ungefähr 1 mg zuviel Eisen auf. Entsprechend
lange dauert es, bis die Eisenspeicher über das normale
Maß von 1 - 4 g ansteigen. Mit Organschäden ist erst
bei Eisendepots über 8-10 g zu rechnen.
Patienten mit Leberzirrhose (Narbenleber) und Diabetes mellitus
(Zuckerkrankheit) haben häufig einen Eisenüberschuss
von über 15 g.
Über die C282Y-Mutation im HFE-Gen kommt es zu einem gestörten
Zusammenspiel des HFE-Proteins mit dem Hepcidin und somit über
eine Steigerung einer Eisenreduktase zu einer vermehrten Eisenaufnahme
im Darm. Die nachfolgende Ablagerung von Eisen kann verschiedene
Organe schädigen.
Erkennung der Hämochromatose (Diagnose)
Labordiagnostik
Erhöhte Eisenwerte im Blut erfordern auch bei sonst
unauffälligem Befund den Ausschluss einer Hämochromatose.
Auf der anderen Seite schließen normale Eisenwerte die
Hämochromatose nicht aus und erhöhte Eisenwerte treten
auch ohne Eisenspeichererkrankung auf.
Die Bestimmung der Transferrinsättigung (Transferrin ist
der Eiweißstoff, der das Eisen im Blut transportiert)
ist weitaus verlässlicher für den Verdacht auf eine
Eisenüberladung als das Serumeisen. Die Erhöhung der
Transferrinsättigung geht der Serumferritinerhöhung
(das Eiweiß Ferritin speichert Eisen in der Leber) außerdem
über viele Jahre voraus. Eine mehr als 50 % Sättigung
des Transferrin lenkt den Verdacht auf eine Eisenspeichererkrankung.
Das Ferritin ist ein Maß für die Gesamteisenspeicher:
ein niedriges Ferritin beweist einen Eisenmangel, während
ein erhöhtes Ferritin auch bei Entzündungen und Tumoren
gefunden wird und deshalb für die Erkennung (Diagnose)
einer Eisenüberladung unzuverlässig ist.
Leberbiopsie (Entnahme
einer Leberprobe mit einer dünnen Nadel) mit Bestimmung
des Eisengehaltes.
Obwohl erhöhte Werte für Transferrinsättigung
und Serumferritin den Verdacht auf eine Hämochromatose
ergeben, wird die Diagnose erst durch Gentest oder Leberbiopsie
mit quantitativer Bestimmung des Eisengehaltes gesichert. Heute
ist die Leberbiopsie zur Diagnose der Hämochromatose bei
typischen Beschwerden und Befunden und typischer Laborkonstellation
sowie einem eindeutigen Gen-Test (homozygote C282Y-Mutation)
nicht mehr notwendig, sofern es nicht andere Gründe zur
Durchführung der Leberbiopsie gibt.
Die Leberbiopsie ist unverzichtbar bei unklaren Befunden und
wenn man das Ausmaß der Leberschädigung bestimmen
möchte. Das Risiko einer Leberfibrose (Vernarbung) steigt
erst bei Ferritinwerten >1000 ng/ml (Normalwerte bis 300
ng/ml), so dass man bei geringer Ferritinerhöhung ohne
andere Hinweise für eine Leberschädigung heute auf
die Leberbiopsie verzichtet.
Gentest
In Deutschland findet man bei etwa 90 % der Typ 1-Hämochromatose-Patienten
die C282Y-Mutation in homozygoter Ausprägung, während
in Populationen nicht keltischer Abstammung andere, nicht näher
identifizierte Mutationen vorliegen.
Etwa 5 % der Hämochromatose-Patienten keltischer Abstammung
haben die Punktmutation His63Asp, die ebenso wie die C282Y-Mutation
in heterozygoter Form nicht zu Krankheitserscheinungen führt.
Etwa 2-5 % der Hämochromatose-Patienten haben sowohl die
C282Y-Mutation wie die H63D-Mutation in heterozygoter Form,
wobei man diese Konstellation als Compound-Heterozygotie bezeichnet.
Die "Compound-Heterozygoten" haben nur ein kleines
Risiko, Folgen einer Hämochromatose zu erleiden. Findet
man die C282Y-Mutation in homozygoter Ausprägung, ist die
Diagnose der Hämochromatose Typ 1 gesichert und eine Leberbiopsie
zur Diagnose nicht notwendig. Kann man die C282Y-Mutation hingegen
nicht in homozygoter Form nachweisen und weisen die anderen
Befunde auf eine Eisenüberladung hin, so sollte eine Leberbiopsie
mit quantitativer Eisenbestimmung erfolgen.
Bei Personen mit nachgewiesener Eisenüberladung ohne Mutation
im HFE-Gen wird man in der Zukunft nach Mutationen in den Genen
suchen, die für Hepcidin, Transferrin-Rezeptor 2 und Ferroportin
1 kodieren.
Frühdiagnose
(Früherkennung)
Die Hämochromatose Typ 1 liegt in der homozygoten
Form bei mindestens 1:200 Personen in der Allgemeinbevölkerung
vor; fast jeder zehnte Deutsche weist eine heterozygote Anlage
für die Hämochromatose auf. Die Ausprägung der
Erkrankung variiert aber und hängt von weiteren Faktoren
ab (Alkoholkonsum, Eisengehalt der Nahrung, Blutverluste durch
Menses). Die klinische Erkrankungshäufigkeit liegt möglicherweise
nur bei etwa 1:1.000. Nicht alle homozygoten Personen erkranken
also.
Früher wurde die Hämochromatose oft erst im Spätstadium
mit nicht mehr rückbildungsfähigen Organschäden
erkannt.
Heute hat sich der Schwerpunkt auf die Frühdiagnose und
Vorsorge von Organschäden verlagert. Die Diagnose im Frühstadium
ohne Vorliegen von Leberzirrhose oder Diabetes eröffnet
dem Patienten bei konsequenter Aderlassbehandlung eine normale
Lebenserwartung. Maßnahmen zur Früherkennung schließen
auch Familienuntersuchungen, Untersuchungen von Risikogruppen
und Vorsorgeuntersuchungen in der Allgemeinbevölkerung
ein.
In der deutschen Bevölkerung ist die Eisenüberladung
heute bei Männern häufiger als der Eisenmangel, während
bei Frauen der Eisenmangel häufiger als die Eisenüberladung
ist. Die Vorsorge auf Hämochromatose in der Allgemeinbevölkerung
zählt zu den kostengünstigsten Maßnahmen in
der Medizin.
Es bleibt umstritten, welche Grenzwerte für Ferritin und
Transferrin benutzt werden sollten, ob lieber primär ein
Gentest erfolgen sollte und ab welchem Alter eine Vorsorge sinnvoll
ist. Die Früherkennung in Familien von Patienten mit nachgewiesener
Hämochromatose ist mit Hilfe des Gentests heute einfach.
Bei heterozygoten Personen besteht nur ein sehr geringes Risiko,
dass sich Folgen einer Eisenüberladung ausbilden, obwohl
Ferritin und Transferrinsättigung leicht erhöht sein
können.
Neben den Geschwistern sollte man wegen der Häufigkeit
des Hämochromatosegens alle Verwandten erster Ordnung untersuchen
(also auch Eltern und Kinder).
Bei 1-2 % der Patienten mit neu aufgetretenem Diabetes mellitus
(Zuckerkrankheit) und bei 3-15 % der Patienten mit einer Leberzirrhose
liegt diesen Erkrankungen eine Hämochromatose zugrunde.
Diese Patientengruppen sollten deshalb auf eine Hämochromatose
hin untersucht werden. Auch wenn diese Maßnahmen keine
eigentliche Frühdiagnose erlauben, entscheidet die richtige
Diagnose und Aderlasstherapie auch bei diesen Patienten die
weitere Prognose.
Relativ häufig ist die Hämochromatose auch Ursache
von Gelenkbeschwerden und Herzmuskelschwäche (Cardiomyopathie).
In unserem eigenem Patientengut haben wir in den vergangenen
Jahren häufig Hämochromatose-Patienten bei der Abklärung
von Gelenkbeschwerden entdeckt bzw. aus Rheumakliniken zugewiesen
bekommen.
Folgen
und Komplikationen der Hämochromatose
Zeichen der chronischen Lebererkrankung, Diabetes mellitus
(Zuckererkrankung) und Hyperpigmentierung (Dunkelverfärbung)
der Haut bilden die klassischen Hinweise für eine der Hämochromatose.
Kardiomyopathie, Herzrhythmusstörungen sowie Verminderung
von Potenz sind ebenfalls typische Komplikationen. Erst in den
letzten beiden Jahrzehnten wurde erkannt, dass Gelenkbeschwerden
ein häufiges Früh-Symptom der Hämochromatose
ist, das deshalb eine Frühdiagnose ermöglichen kann.
Bei vielen Patienten mit Hämochromatose sind zum Zeitpunkt
der Diagnose auch heute noch Hinweise für eine Leberschädigung
zu finden. Eine Reihe der unspezifischen Beschwerden wie Oberbauchbeschwerden,
Müdigkeit und verminderte Leistungsfähigkeit sind
wahrscheinlich Ausdruck der Lebererkrankung.
Bei beschwerdefreien Patienten, die durch Vorsorge-Untersuchungen
entdeckt werden, finden sich nur selten Leberschäden. Komplikationen
wie Aszites (Bauchwasser), Ikterus (Gelbsucht) oder Krampfadern
in der Speiseröhre treten erst im Spätstadium auf.
Bei bis zu 30 % der Hämochromatose-Patienten mit Leberzirrhose
entwickelt sich ein bösartiger Lebertumor, oft obwohl eine
vollständige Eisenentspeicherung erreicht wurde. Das Risiko
eines Lebertumors ist bei Hämochromatose-Patienten um mehr
als das Hundertfache gegenüber der Allgemeinbevölkerung
erhöht.
Die Entwicklung des Diabetes ist eng mit der Leberzirrhose verbunden.
Dem Diabetes mellitus geht eine Insulinresistenz (schlechte
Wirkung des Insulin) voraus, deren Ursache in der Leber liegt.
Später kommt es zu Eisenablagerungen in den Beta-Zellen
des Inselapparates und damit zum Insulinmangel-Diabetes.
Die Eisenablagerungen im Herzmuskel können zu Herzmuskelschwäche
(Kardiomyopathie) und Herzrhythmusstörungen führen.
Die Herzbeteiligung ist bei jungen Patienten eine relativ häufige
Todesursache. Tritt bei jungen Patienten eine schwere Cardiomyopathie
auf, sollte man umgehend Kontakt mit einem Transplantationszentrum
aufnehmen. Herzrhythmusstörungen und leichte Veränderungen
der Pumpfunktion können hingegen nach einer Aderlasstherapie
vollständig verschwinden.
Die Arthropathie ist eine der wenigen Folgen der Hämochromatose,
die nicht mit dem Ausmaß der Eisenüberladung korreliert.
Nicht selten treten Gelenkbeschwerden als Frühsymptom auf.
Es sollte deshalb heute bei jeder unklaren Gelenkerkrankung
eine Hämochromatose als Ursache ausgeschlossen werden.
Endokrine Veränderungen (Zyklusstörungen, Potenzprobleme)
sind meist ein Spätsymptom und sprechen nur schlecht auf
die Aderlasstherapie an.
Behandlung der Hämochromatose
- Aderlässe
Die wirksamste Therapie der Hämochromatose besteht
in Aderlässen.
Bei Patienten mit Hämochromatose beträgt der Körpereisengehalt
oft 10-30 g. Da mit einem Aderlass von 500 ml Blut 250 mg
Eisen entzogen werden (Eisen befindet sich vor allem in den
roten Blutkörperchen), sind zur Eisenentspeicherung 40-120
Aderlässe notwendig. Um dieses Ziel innerhalb von 12-24
Monaten zu erreichen, muss etwa ein Aderlass (500 ml) pro
Woche durchgeführt werden.
Im allgemeinen wird dieses Behandlungsschema gut vertragen.
Die neu gebildeten roten Blutkörperchen verbrauchen das
gespeicherte Eisen, so dass die Eisenspeicher abgebaut werden,
bis das Ferritin im unteren Normalbereich ist. Aufgrund der
vererbten Steigerung der Eisenaufnahme darf die Aderlasstherapie
nie vollständig abgebrochen werden. Allerdings genügen
nach der Eisenentspeicherung 4-8 Aderlässe pro Jahr,
um eine ausgeglichene Eisenbilanz beizubehalten. Die Höhe
der Eisendepots sollte zweimal im Jahr durch eine Bestimmung
des Serumferritin abgeschätzt werden, das langfristig
20-50 ng/ml betragen sollte.
- Diät
Eine eisenarme Diät ist bei vererbter Hämochromatose
wenig sinnvoll. Mit einem Aderlass von 500 ml Blut entfernt
man ungefähr 250 mg Eisen. Es würde etwa ein Jahr
dauern, wollte man die Eisenaufnahme mit einer kaum praktikablen
eisenarmen Diät im gleichen Umfang (250 mg) vermindern.
Ein einziger zusätzlicher Aderlass befreit den Patienten
also von den sehr einschränkenden Diät-Einschränkungen.
Wir empfehlen den Patienten deshalb ausschließlich das
Meiden sehr eisenhaltiger Nahrungsmittel und natürlich
von Eisentabletten und eisenhaltigen Vitamin- oder Mineralstoffen.
Verlauf und Prognose
Unbehandelt hat die Hämochromatose beim Vorliegen von
Diabetes (Zuckerkrankheit) und Leberzirrhose eine schlechte
Prognose. Die Prognose von Zirrhosepatienten ist wesentlich
schlechter als die von Patienten, die bei Diagnose noch keine
Zirrhose hatten; ähnliches gilt für den Diabetes.
Es ist allgemein anerkannt, dass die Aderlasstherapie die
Prognose deutlich verbessert. Heute haben Patienten, die im
Frühstadium ohne Leberzirrhose oder Diabetes behandelt
werden, eine normale Lebenserwartung. Die Prognose wird durch
frühe Diagnostik deutlich verbessert. Auch Patienten
mit Leberzirrhose haben von der Aderlasstherapie einen deutlichen
Überlebensvorteil. Die Prognose einer Zirrhose bei Hämochromatose
ist besser als bei vielen anderen Zirrhoseformen. Lebervergrößerungen
und Erhöhungen der Leberwerte im Blut sind unter einer
Aderlasstherapie häufig rückläufig.
Die Aderlasstherapie bessert häufig auch das Leistungsvermögen.
Der insulinpflichtige Diabetes mellitus besteht trotz Eisenentspeicherung
weiter. Veränderungen der Geschlechtshormone (Hypogonadismus)
werden als Spätkomplikationen durch die Aderlasstherapie
meist nicht gebessert.
Die Gelenkerkrankung (Arthropathie) bessert sich nach Eisenentspeicherung
aus unbekannten Gründen meistens nicht.
Prof. Dr.
Claus Niederau
St. Josefshospital, Oberhausen
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