Prof. Dr. Wolfgang E. Schmidt
St. Josefhospital, Bochum
Was ist
eine Leberzirrhose?
Die Leberzirrhose stellt das Endstadium vieler Lebererkrankungen
dar. Man bezeichnet einen Umbau der Leber mit Faservermehrung,
Zerstörung der feingeweblichen Lebergewebe- und Gefäßstruktur
sowie Knotenbildung als Leberzirrhose. Es entwickelt sich durch
Einwirkung unterschiedlicher Schädigungsfaktoren eine "Vernarbung"
mit komplettem Umbau der Leber.
Die Diagnose einer Leberzirrhose kann in der Regel exakt nur
durch eine feingewebliche Untersuchung von Lebergewebe unter
dem Mikroskop (Histologie) nach Gewinnung einer Leberbiopsie
oder eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) gestellt werden.
Entstehung und Ursachen
Die Ursachen einer Leberzirrhose sind vielfältig.
Jede dauerhafte Schädigung der Leber kann in Abhängigkeit
von Dauer und Intensität der Schädigung in unterschiedlich
langer Zeit zu einer Leberzirrhose führen. Eine Schädigung
kann toxischer Genese (Wirkung von "Lebergiften"),
wie z.B. durch Alkohol oder durch entzündliche Veränderungen
(z.B. chronische Virushepatitis B oder C, Autoimmunhepatitis)
sowie Stoffwechselerkrankungen oder Gallenwegserkrankungen hervorgerufen
werden. Mehrere Schädigungsfaktoren gleichzeitig können
eine additive oder potenzierende Wirkung haben.
In Deutschland und Europa stellt der Alkohol mit mehr als 50-60
% die häufigste Ursache für eine Leberzirrhose dar,
als zweite wichtige Ursache sind die Virushepatitiden Typ B/D
und C zu nennen.
Weitere Erkrankungen wie Gallenwegserkrankungen, Stoffwechselerkrankungen
wie die Hämochromatose, Speicherkrankheiten, NASH (Nicht-Alkoholische
Steatohepatitis) oder Autoimmunhepatitis sowie weitere Lebererkrankungen
kommen als Ursache einer Zirrhose eher selten in Betracht.
Folge einer Schädigung
der Leber sind Umbauvorgänge im Organ mit entzündlichen
Veränderungen und nachfolgender Vernarbung mit Vermehrung
der Bindegewebsfasern (Fibrose - Faservermehrung). Die Aktivität
der zugrunde liegenden Lebererkrankung bzw. Intensität
einer toxischen Schädigung als auch die Dauer und die Summe
der Schädigungsfaktoren bestimmen den Zeitverlauf der Fibroseentwicklung.
Je fortgeschrittener die Fibrose, umso größer sind
die Auswirkungen auf die normale Gewebe- und Gefäßarchitektur
der Leber: Diese wird zunehmend zerstört, das Endstadium
dieser Faservermehrung stellt die Leberzirrhose mit komplettem
Organumbau dar. Eine Zirrhose der Leber ist in der Regel nicht
rückbildungsfähig (irreversibel).
Folgen und Symptome der
Leberzirrhose
Der vorher beschriebene Organumbau führt es zu einem
zunehmenden Verlust der Leberfunktion. Die Funktion der normalen
Leber besteht zum einen in der Synthese vieler lebenswichtiger
Substanzen, insbesondere Eiweißstoffe, wie z.B. Gerinnungsfaktoren,
des weiteren erfüllt die Leber wichtige Stoffwechsel- sowie
Entgiftungsfunktionen.
Durch Störung dieser Funktionen können verschiedene
Komplikationen der Leberzirrhose entstehen. Die reduzierte Produktion
verschiedener Eiweiße führt zu einer Verminderung
von Eiweißstoffen im Blut (z.B. Albumin), was zur Bildung
von Wasseransammlungen im Gewebe, vor allem in den Beinen (Ödeme)
und im Bauchraum (Ascites) beitragen kann.
Weiterhin können Gerinnungsstörungen mit Blutungsneigung
durch verminderte Bildung von Faktoren des Blutgerinnungssystems
bestehen, auch die Infektabwehr ist infolge verminderter Produktion
von Eiweißstoffen reduziert.
Da die Entgiftungsfunktion der Leber bei einer Zirrhose reduziert
ist, steigt die Konzentration von aus dem Darm aufgenommenen
oder im Stoffwechsel anfallenden Giftstoffen, insbesondere Eiweißabbauprodukten,
im Blutkreislauf. Dies kann zu Bewusstseinsveränderungen
(Symptome der sog. "hepatischen Encephalopathie")
mit Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, verlangsamtem
Handeln, Schläfrigkeit bis hin zum Koma führen.
Die Ausscheidung
des gelben Blutfarbstoffs (Bilirubin) über die Galle ist
beeinträchtigt, was zu einer Gelbfärbung der Skleren
(Augenweiß) und der Haut führen kann, bezeichnet
als Ikterus. Gleichzeitig kann eine Entfärbung des Stuhls
und eine dunkle Verfärbung des Urins beobachtet werden,
begleitend wird häufig über Juckreiz berichtet.
Infolge Veränderung der Lebergewebe- und Gefäßarchitektur
bei einer Leberzirrhose wird der Blutfluss der Leber beeinträchtigt,
was zu einer Abflußstörung und Druckerhöhung
der zuführenden Pfortader führt. Dieses Gefäß
drainiert das Blut aus dem gesamten Magen-Darm-Trakt und der
Milz und enthält alle aus dem Darm aufgenommen Substanzen,
welche der Leber zugeführt werden.
Folgen des Pfortaderhochdrucks
sind einerseits die Ausbildung von Umgehungskreisläufen
zwischen Gefäßen des Pfortaderkreislaufes und des
venösen Gefäßsystems des Körperkreislaufes,
wobei sich aufgrund des erhöhten Drucks der hierfür
nicht ausgelegten Gefäße Krampfadern ausbilden. Diese
Krampfadern (Varizen) entwickeln sich in erster Linie in der
Speiseröhre (Ösophagusvarizen) bzw. Magen (sog. Fundusvarizen),
sie können spontan platzen und zu lebensbedrohlichen Blutungen
führen. Notfallsymptome sind das Erbrechen von Blut oder
Blutbeimengung bzw. Schwarzfärbung des Stuhls.
Auf der anderen Seite kann die Druckerhöhung in der Pfortader
zur Ausbildung von Wasseransammlungen in der Bauchhöhle
(Ascites) mit teilweise ausgeprägter Zunahme des Bauchumfangs
führen sowie zu einer Vergrößerung der vorgeschalteten
Milz (Splenomegalie).
Allgemeine Symptome einer Leberzirrhose sind eine verminderte
Belastbarkeit, Müdigkeit, Leistungsminderung, Gewichtsabnahme,
hormonelle Veränderungen mit Störung des Menstruationszyklus
und Potenzstörungen sowie verschiedene Hautveränderungen.
In einer zirrhotischen Leber ist als Spätfolge das Risiko
der Entwicklung eines bösartigen Leberzelltumors (hepatozelluläres
Karzinom) deutlich erhöht.
Therapie der Leberzirrhose
Die wichtigste Maßnahme zur Therapie der Leberzirrhose
ist die kausale Behandlung der zugrunde liegenden Lebererkrankung,
um das Fortschreiten der Lebererkrankung zu verhindern. Aus
diesem Grund ist die Klärung der Ursache der Zirrhose eine
entscheidende Maßnahme.
Wesentlich ist die Vermeidung einer weiteren Schädigung
der Leber in erster Linie durch Alkohol und ggf. leberschädigende
Medikamente, ein vollständiger Verzicht auf Alkohol muss
eingehalten werden. Eine ausreichende Kalorien- und Eiweißzufuhr
sollte sichergestellt werden, erst in fortgeschrittenen Stadien
mit hepatischer Encephalopathie (s.o.) muss die tägliche
Eiweißzufuhr ggf. reduziert werden.
Die weitere Therapie
der Leberzirrhose richtet sich nach den sich entwickelnden Komplikationen,
welche spezifisch behandelt werden.
Wasseransammlungen (Ascites, Ödeme) werden mit einer Reduktion
der täglichen Salz- und Flüssigkeitsaufnahme sowie
entwässernden Medikamenten (Diuretika) und Bettruhe behandelt,
in schweren Fällen kann eine Punktion mit Ablassen des
Ascites notwendig werden.
Eine Blutung aus Ösophagus- oder Fundusvarizen wird im
Rahmen einer Magenspiegelung (Gastroskopie) durch Ligatur (Abschnüren
der Krampfader (Varize) mittels Gummiband) oder Verödung
durch Einspritzen von Medikamenten in die Varize therapiert.
Medikamentös kann vorbeugend behandelt werden durch Drucksenkung
in der Pfortader mittels sog. ß-Blocker oder Nitro-Präparaten.
Bei Versagen dieser
Therapiemaßnahmen zur Senkung des Pfortaderdrucks mit
wiederholter Blutung aus Ösophagusvarizen oder nicht therapierbarem
Ascites kann eine künstliche Kurzschlußverbindung
zwischen Pfortader und dem venösen Systems des Körperkreislaufs
zur Drucksenkung (TIPS) angelegt werden.
Eine hepatische Encephalopathie, bei welcher im Blut eine deutliche
Erhöhung des Ammoniaks nachgewiesen werden kann, wird mit
Lactulose, einem Abführmittel, was zu einer Ansäuerung
des Darms mit verminderter Aufnahme von Ammoniak führt,
behandelt, akut sollte die Eiweißaufnahme vermindert werden.
Zur frühzeitigen Erfassung eines hepatozellulären
Karzinoms sollten regelmäßige Ultraschalluntersuchungen
der Leber sowie eine Bestimmung des AFP (Alfa-Fetoprotein; Marker,
welcher häufig bei einem hepatozellulären Karzinom
erhöht messbar ist) im Blut durchgeführt werden. Zur
Therapie stehen die Operation, Lebertransplantation oder lokale
Behandlungsverfahren je nach Befund zur Verfügung.
Als letzte Möglichkeit bei fortschreitender Lebererkrankung
und fehlenden sonstigen Therapieoptionen kann eine Lebertransplantation
in Erwägung gezogen werden.
Vermeidung einer Leberzirrhose
Das primäre Ziel jeder Lebererkrankung sollte sein,
die zugrunde liegende Erkrankung früh zu erkennen und zu
behandeln, um die Entwicklung einer Leberzirrhose zu verhindern.
Aus diesem Grund sollte jede Lebererkrankung hinsichtlich der
zugrunde liegenden Ursache abgeklärt werden, um dann frühzeitig
eine Therapie einzuleiten zu können.
Jede Lebererkrankung kann durch zusätzliche Schädigungsfaktoren
verschlechtert werden, weshalb diese gemieden werden sollten.
In erster Linie sind hier der Alkohol und weitere toxische Faktoren
zu nennen, eine Alkoholkarenz sollte strikt eingehalten werden.
Weiterhin sollte die Indikation für eine Impfung gegen
Hepatitis A oder B durch den behandelnden Arzt geprüft
werden.
Prof. Dr. Wolfgang E. Schmidt
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