Die Leber und ... ihr Ersatz

Prof. Dr. Christoph Erich Broelsch

Die Lebertransplantation ist ein etabliertes Therapieverfahren akuter und chronischer Lebererkrankungen im Endstadium. Hierbei ist die posthepatitische Zirrhose bei chronischer Virushepatitis B und C eine der häufigsten Indikationen zur Lebertransplantation in Europa.

Indikation zur Lebertransplantation
Die Indikation zur Lebertransplantation wird bei fortschreitender chronischer Lebererkrankung gestellt, wenn die Leberfunktion wesentlich eingeschränkt ist und somit von einer deutlich reduzierten Lebenserwartung auszugehen ist. Zur objektiven Einschätzung einer zunehmenden Funktionseinschränkung bei Leberzirrhose wird die Stadieneinteilung nach Child-Pugh benutzt, in die der klinische Zustand des Patienten und wichtige Leberfunktionsparameter (Quick, Bilirubin, Albumin) einfließen. Um den besten Zeitpunkt zu einer Lebertransplantation nicht zu verpassen, sollte eine Evaluation bereits im Child-Pugh Stadium B erfolgen.

Dringend bis zur Notfall-OP wird die Lebertransplantation bei rasch fortschreitender Funktionseinschränkung der Leber sowie Komplikationen der Leberzirrhose: Wiederholtes Auftreten von therapierefraktärem Ascites,
Ösophagusvarizenblutungen und schwere Formen der hepatischen Enzephalopathie.
Rascher Handlungsbedarf kann auch im frühen Stadium der Leberzirrhose bei der Diagnose eines hepatozellulären Karzinoms bestehen.

Die rechtzeitige Aufnahme auf eine Warteliste zur Lebertransplantation an einem Transplantationszentrum ist für den weiteren Verlauf von entscheidender Bedeutung.
Bei einer durchschnittlichen Wartezeit auf ein Organangebot im Europäischen Transplantationsverband von 12 Monaten beträgt die Sterblichkeit auf der Warteliste bis zu 20%.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma stellt die Leberlebendspende dar - ein Operationsverfahren, bei dem ein naher Angehöriger dem Erkrankten einen Teil seiner Leber spendet. Vor der Lebendspende ist eine ausführliche Untersuchung des körperlichen Gesundheitszustandes und der psychosozialen Situation des Spenders zur Vermeidung von peri- und post-operativen Komplikationen unbedingt erforderlich.

Evaluation zur Lebertransplantation bei chronischer Hepatitis
Bei Patienten mit chronischer Hepatitis B mit aktiver Virusreplikation ist eine antivirale Therapie vor Lebertransplantation obligat.
Vor dem komplizierten und zeitintensiven operativen Eingriff müssen Herz-, Kreislauf- und Lungenerkrankungen optimal behandelt werden. Potentielle Infektionsquellen (Zähne, Nasennebenhöhlen und Harnwege) sollten saniert werden.
Im Rahmen der Evaluationsuntersuchungen wird der Impfstatus überprüft und nach Bedarf ergänzt (Hepatitis A, Hepatitis B, Grippeschutzimpfung).
Eine relative Kontraindikation stellt das fortgeschrittene hepatozelluläre Karzinom dar - eine absolute Kontraindikation ist eine Tumormanifestation außerhalb der Leber.

Lebertransplantation bei Hepatitis B
Nach der Lebertransplantation kann durch die heute mögliche Langzeit-Immun-Prophylaxe mit Hepatitis B-Immunglobulin die Reinfektionsrate von durchschnittlich 80 % auf circa 30 % gesenkt werden. Um einen ausreichenden Schutz vor Reinfektion gewährleisten zu können, ist die regelmäßige intravenöse Gabe mit dem Ziel der Aufrechterhaltung eines ausreichenden Serum-Spiegels notwendig. Zusätzlich kommen Nukleosidanlaloga (z.B. Lamivudin) zum Einsatz, bei denen sich jedoch in der Langzeitanwendung gehäuft die Entwicklung von Resistenzen gezeigt hat. Ein neu entwickeltes Nukleosidanalogon (Adevovir) kann in solchen Fällen eingesetzt werden, aber auch hier ist eine Resistenzentwicklung nicht sicher auszuschließen.

Lebertransplantation bei Hepatitis C
Eine Reinfektion des Transplantatorgans tritt bei replikativer Hepatitis C Infektion obligat auf. Eine wirksame Prophylaxe gibt es bisher nicht. Der Verlauf einer eintretenden Transplantathepatitis kann von einer milden bis zur raschen Progredienz der Fibrose reichen. In einzelnen Studien konnte unter der Kombinationstherapie mit Interferon und Ribavirin ein virologisches Ansprechen von circa 25 % gezeigt werden. Bei einem Großteil der behandelten Patienten zeigte sich ein günstiger Verlauf unter der Therapie mit unterschiedlich starker Ausprägung der bekannten Nebenwirkungen einer Interferontherapie.

Prognose nach Lebertransplantation
Die meisten Patienten haben nach der Transplantation eine sehr gute
Lebensqualität. Eine lebenslange Einnahme von Immunsuppressiva zur Vermeidung einer Abstoßungsreaktion der Transplantatleber ist obligat. Der perioperative Erfolg der Lebertransplantation unterscheidet sich bei Patienten mit chronischer Virushepatitis kaum von Patienten mit Lebertransplantation aus anderem Grund.
Eine lebensbedrohliche Komplikation ist die akute Abstoßungsreaktion, die mit hochdosierter Steroidtherapie behandelt wird. Bei rasch progredientem Verlauf ist unter Umständen eine Retransplantation in Erwägung zu ziehen. Die Sterblichkeit im ersten Jahr nach Transplantation wird von infektiösen Komplikationen, Abstoßungsreaktionen oder Herz-Kreislaufproblemen bestimmt.
Die Überlebenswahrscheinlichkeit liegt im ersten Jahr nach einer Lebertransplantation bei etwa 90 %.
Im Langzeitverlauf zeigt sich eine 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von 65 - 75 %.

Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die fortgeschrittene Viruszirrhose heutzutage eine Standardindikation zur Lebertransplantation mit ausgezeichneten Langzeitergebnissen darstellt. Während nach der Transplantation bei Hepatitis B Infektion der Schwerpunkt auf der Prophylaxe der Reinfektion liegt, konzentrieren sich bei der Hepatitis C Infektion die Bemühungen darauf, die Progredienz der obligaten Reinfektion zu verzögern. Durch weitere Entwicklungen antiviraler Medikamente und Immunsuppressiva könnten in Zukunft noch bessere Langzeitergebnisse erreicht werden.

Prof. Dr. Christoph Erich Broelsch

Wir möchten Sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Informationsangebot dieser Seite seit geraumer Zeit nicht mehr aktualisiert wird.

Eine Seite zurück Eine Seite zurück
Zum Beginn der Seite nach oben